Buchtipp: Buchtipp Foodpairing: Harmonie und Kontrast
Buchtipp
Gourmetküche aus dem Labor
Beim Blättern durch das schwere Buch fallen mir Begriffe ein wie „Fundierte Kreativität am Herd“, „Wissenschaftliche Küche“, „Im Reagenzglas erstellte Rezepte“. Also Lobhudeleien
Und das Buch „Foodparing“ hat sicher Lob verdient. Aber auch Kritik. Dazu später mehr.
Nomen est omen
„Foodpairing“ lautet sein Titel. „Food“ bedeutet übersetzt „Lebensmittel“. Das ist noch leicht. Doch „Pairing“ bedeutet eigentlich „Paarbildung“. Geht es um das Paaren von Lebensmitteln? Paarbildungen von Zutaten? Mit welchem Ziel?
Rezeptideen aus dem Labor
Es geht um neue Zusammenstellungen von Zutaten, um auf neue Geschmackserlebnisse zu kommen. Neu ist die Herangehensweise. Nicht der geschulte Gaumen, die Zunge und Nase gaben die Richtung an, sondern die Zutaten selbst. Genauer gesagt: ihre Zusammensetzung bis runter zum Atom.
Hä?
Ja.
Die Autoren
Doch der Reihe nach. Zuerst ist das Authorpairing, also die Bildung des Autorenpaares, für ein Kochbuch ungewöhnlich.
Das leicht nachvollziehbare Teil des Paares: Rolf Caviezel, ist ein leidenschaftlicher Koch, sowohl beheimatet in der traditionellen Küche als auch in der Molekularen Küche. Also ein Profi am Herd.
Das andere, ungewohnte Teil: Prof. Dr. rer. nat. Thomas A. Vilgis, ist Arbeitsgruppenleiter des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung der Universität Mainz in den Arbeitsgebieten „Theorie weicher Materie“, „statistische Physik von Proteinen“, molekulare Biophysik, Physik und Chemie von Lebensmitteln.
Oha. Scheinbar ist er kein Profi am Herd, aber Prof. Vilgis ist auch leidenschaftlicher Hobbykoch. Nun passt das Paar doch zusammen.
Hohe Qualität in der Herangehensweise
Zusammen haben beide ein außergewöhnliches Buch mit hohem Anspruch erstellt: Neue Geschmackskombinationen auf Grundlage chemischer Wissenschaft finden, wobei der heimische Herd zum Nachkochen ausreichen muss. Das ist ihnen zweifelsfrei gelungen.
Die Autoren beschreiben ihre Rezeptideen mit Grundeigenschaften von Lebensmitteln: Geschmack, Geruch und Textur, Kopfnote, Herznote und Basisnote der Gerüche, Molekültypen und Kontraste. Zusammen mit hochqualitativen Fotografien der Gerichte, gekonnt produziert von Fotograf Andreas Thumm, wecken Rezepttitel wie
- „Cannelloni aus Zucchini mit Espresso-Mascarpone-Füllung“
- „Rote Zitronenlinsen mit gegrilltem Spargel und Orangensauce“
- „Eis aus gelben Tomaten auf Biskuitkrümel“ und
- „Gebratener Speck mit Honig, Meerrettich, Erbsen und Himbeeren“
die Neugier.
Der Chemiebaukasten steht Pate
Prof. Vilgis begründet in jedem Rezept die Kombinationen der Zutaten mit aliphatischen Kohlenwasserstoffen, azyklischen Terpenen, Phenylderivaten und weiteren chemischen Substanzen. Und er erklärt dabei, wie diese Chemiebausteine im vorliegenden Rezept zusammenpassen. In einer Sprache, die auch für Nicht-Chemiker verständlich ist.
Dazu gibt es Schaubilder, die nachvollziehbar erläutern, was Vilgis meint, wenn er von „Aromabrücken“ der Substanzen spricht. Weintipps runden jedes Rezept ab.
Rezept als Entdeckung, jedoch nicht für den Alltag
Die Rezepte sind in sich so abgestimmt, dass jedes Rezept für sich allein stehen kann. Mir fiel es allerdings schwer, sie mit anderen Rezepten zu kombinieren. Den Versuch, ein außergewöhnliches mehrgängiges Menü aus Foodpairing-Rezepten zusammen zu stellen, gab ich auf. Zu sehr drängte mir das Bild auf, jede Geschmackserfahrung mit einem weiteren Gang kaputt machen zu können.
Die Zubereitungen sind teilweise aufwändig. Die Portionen sind klein. Zum Probieren sind sie alle geeignet. Für die Alltagsküche eher nicht.
Nachteilige Gestaltung
Die Gestaltung des Buches ist auf dem ersten Blick gelungen: Fein abgestimmte Schriften und Farben bestimmen den Eindruck. Doch beim Lesen taten sich andere Welten auf: Die Texte sind klein gesetzt und auf die Dauer mühsam zu lesen. Die Legenden in den Schaubildern waren zu klein und nicht lesbar. Die Überschriften sind gelb auf weiß gesetzt. Sie waren nur lesbar, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel auf sie fiel und die Farbe zum Glänzen brachte.
Die Gestaltung spiegelte, vielleicht unfreiwillig, den Charakter der Rezepte wider: Erstmal aufmerksamkeitserregend, näher betrachtet aber nicht gebrauchstauglich. Daher ziehe ich zwei Punkte ab. Drei Punkte bleiben für die Anregungen und neuen Wege, die beschritten wurden.
Meine Meinung
Sollte für den Alltag oder ein Fest gekocht werden, ist das Buch unpraktisch. Für Hobbyköche, die gerne Neues entdecken und probieren, empfehle ich das Buch uneingeschränkt.